„Ich werde mitten unter euch wohnen“, heißt es im 3. Buch Mose. Gott mitten unter uns? Womöglich hier in Meldorf? Wie wäre es, wenn er bei uns einzöge wie er damals mit Jesus aus Nazareth nach Jerusalem einzog. Hoch gelobt mit Palmenzweigen und Hosiannarufen. „Gelobt sei der da kommt im Namen des Herren“. Welche Zeichen sind es, die wir erkennen, wenn Gott bei uns Wohnung nimmt?
„Gott ist gegenwärtig; … ich in dir, du in mir“ dichtet Gerhard Tersteegen und meint Gott damit. Er war ein Romantiker, ein Pietist. Dass Gott in mir wohnt, ist ein schöner Gedanke. Denn dann müsste ich nie lange suchen. Allerdings hätte dieser Gedanke auch Konsequenzen. Denn dann gilt das für jeden von uns. Da Gott Gott ist und er alle Menschen geschaffen hat zu seinem Ebenbild, wird er niemanden ausschließen. Also nehmen wir diese Gedankenübung doch einmal an: Ein Leichtes ist es sich vorzustellen, dass Gott in den eigenen Enkelkindern wohnt, wenn sie nicht gerade einen Trotzanfall haben. Auch der oder die Liebste, der Mensch meines Herzens ist leicht als Wohnort Gottes vorstellbar. Die beste Freundin. Oder der ältere Herr drüben im Domcafé, der immer so milde blickt. Menschen, die dir entgegen kommen, die dich lieben, denen du von Vornherein ein großes Maß an Weisheit zubilligst: Dass Gott in diesen Mitmenschen wohnt, ist leicht vorstellbar.
Was wäre aber, wenn der fremde Mann derjenige wäre, in dem Gott wohnt? Der, den du immer freitags am Bratwurststand beim Markt siehst. Er ist vielleicht sechzig. Sein Haar ist grau und sein Gang etwas linkisch. Seine Kleidung ein wenig abgeschabt. Kein anderer Mensch fällt dir so häufig auf. Obwohl nichts an ihm ungewöhnlich ist. Oder, noch viel schwieriger, wenn es einer von durchgängig alkoholisierten Menschen wäre? Wenn du Gott in eben solchem Mann sehen solltest, den du neulich zum Gemeindehilfswerk in die Grabenstraße geschickt hast. Dessen Nase voller Schrunden war und deswegen so unheimlich aussah? „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“, sagt Jesus. Ich nehme an, er meint alle diese Leute in der Gehstraße, die ich tagein tagaus treffe. Wenn nun alle diese Menschen ein Hinweis wären? Ein Handzeichen Gottes: Sieh hin. Ich bin hier und hier und hier. Du begegnest mir ständig. Wenn du dem Grauhaarigen und dem mit der schrundigen Nase – und deiner besten Freundin – in die Augen siehst, siehst du in meine Augen. Und wenn du meine Augen in ihren Augen siehst, begegnest du ihnen anders. Dann wäre „Gott ist gegenwärtig; … ich in dir, du in mir“ alles andere als ein romantischer Gedanke, gedichtet von Gerhard Tersteegen. Da sage ich: Gott zum Gruße. (Marktandacht am 11. April 2014)
Literatur: Susanne Niemeyer, Soviel du brauchst, Freiburg im Breisgau 2013, S 63ff
Foto:olemax.com
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ein schöner Gedanke – ich nehme ihn mit in die Karwoche…