Heute hat Sophie Geburtstag. Die Tochter meiner Tochter wird fünf. Und in ein paar Tagen werde ich meiner Großmutter Sophie gedenken. Auch sie hätte Geburtstag gehabt. Ein Augustkind wie ihre Ururenkelin. Zwischen Sophie und Sophie liegen mehr als hundert Jahre. Das sind hundert Jahre Zeitgeschehen. Vom Kaiserreich zur Demokratie. Mit zwei Weltkriegen. Mit so vielen technischen Entwicklungen: Vom Pferdegespann zum Elektroauto. Vom Morseapparat zum Mobiltelefon. Das sind hundert Jahre Familiengeschichte. Ich bin dankbar, dass es diese beiden Menschen in meinem Leben gibt. Denn eines eint die beiden: Ihre weise Haltung zum Leben. Meine Großmutter wie meine Enkeltochter zeigen mir, was nötig ist. Die eine gab mir Wurzeln, die andere Flügel. In beidem ist Gott gegenwärtig. Großmutter Sophie, die Mutter meiner Mutter, lehrte mich als kleines Mädchen, die Sonne nicht über dem Groll meines Tages untergehen zu lassen (Epheser 4, 26ff). „Gib den schlechten Gedanken keinen Raum zum Wirken“, sagte sie beim Zubettgehen. Klein-Sophie sagt dasselbe mit ihren Worten, wenn ich ihr Gute Nacht sage: Oma, jetzt ist es gut. Schluss und Kuss.
(Wort zum Sonntag, Dithmarscher Landeszeitung, 15.08.2015)
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